Was Europa zusammenhält

Münster - "Papa, für son Fitzken machst du so ein Theater?" Das musste sich Heinrich Ostrop vor Jahrzehnten von seiner kleinen Tochter anhören, als er über Europa dozierte - und sie die Größe der Idee nicht mit dem kleinen bunten Fleck auf dem Globus in Einklang bringen konnte.
Heute ist die Tochter "bekennende Europäerin" und Ostrop 82 Jahre alt. Und noch immer begeistert sich der frühere CDU-Landtagsabgeordnete für einen geeinten, freien Kontinent. Im babylonischen Sprachengewirr, das gestern im Handwerkskammer-Bildungszentrum am Aasee herrschte, fühlte er sich darum sichtlich wohl: Zum Auftakt der Tagung des EU-Ausschusses der Regionen (wir berichteten) trafen sich Politiker aus 27 Ländern mit Jugendlichen und Vertretern der regionalen Wirtschaft. 
 
Was hält Europa zusammen? Eine Frage, die der Ausschuss-Vorsitzende António Paiva nicht in Brüssel, sondern "im Dialog mit der Bevölkerung" beantworten will. Die geplanten Gesprächsrunden über gemeinsame Werte und das, was die Bürger von der EU erwarten, fielen allerdings enttäuschend knapp aus: Die Zeit rannte den Organisatoren davon. 
 
Den Bürgervertretern blieben kurze Statements: So wünschte sich Walter Bourichter, Geschäftsführer der Handwerkskammer, von der EU für den Mittelstand hohe Qualitätsstandards und die europaweite Anerkennung von Berufsabschlüssen. Die Jungen und Mädchen aus dem internationalen Jugendcamp in Dülmen mahnten mehr Schüleraustauschprogramme, offene Bildungssysteme und eine EU-weite Umweltpolitik an. 
 
Dass Werte wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie heute alle Europäer verbinden, steht für den Dülmener Landtagsabgeordneten Werner Jostmeier (CDU) fest. Diese Grundlagen seien "nicht beliebig und nicht verhandelbar" und gälten auch für Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen. Jostmeier, der die Tagung des Regionalausschusses nach Münster geholt hatte, bezeichnete die EU als "größte Friedensbewegung der Weltgeschichte". 
 
Die polnische Staatsrechtlerin Prof. Irena Lipowicz verwies dagegen darauf, dass in der EU eine große Lücke zwischen Individuum und Staat klaffe. Nur die europäischen Regionen seien nah genug an den Bürgern, um dieses Vakuum mit Leben zu füllen, bevor Extremisten und Fundamentalisten das übernähmen.
 
Am Abend trafen sich die rund 70 Politiker zum Empfang der Landesregierung in der Speicherstadt. Heute geht das Treffen mit der offiziellen Sitzung des EU-Ausschusses zu Ende.
 
Quelle: Münstersche Zeitung