Pressefrühstück "60 Jahre Bundesvertriebenengesetz"

Beim heutigen Pressefrühstück zum Thema "60 Jahre Bundesvertriebenengesetz" überreichte der Sprecher der CDU-Landtagsfraktion im Hauptausschuss und Beauftrager der CDU-Fraktion für Vertriebene, Aussiedler Flüchtlinge und deutsche Minderheiten, Werner Jostmeier MdL, folgende Information:
I. Zusammenfassung
 
Gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche, kulturelle Bedeutung der deutschen Vertriebenen, Flüchtlinge  und Aussiedler: 
 
    Mahnung und Lehre, angesichts von weltweit 52 Mio. Flüchtlingen;
    „Wirtschaftswunder“ – ohne Ost-Vertriebene nicht denkbar;
    Europas Brückenbauer (Charta der Heimatvertriebenen, 5. August 1950)
    Bereicherung der gesamtdeutschen Kultur
 
 
II.        Kurzfassung des CDU-Antrags „60 Jahre Bundesvertriebenengesetz – 50 Jahre Gerhart-Hauptmann-Haus. Erinnern an die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation“ (Drucksachennummer 16/3443) 
 
Unser 1946 gegründetes Bundesland Nordrhein-Westfalen nannte man in den 1950er Jahren auch „Flüchtlingsland der Bundesrepublik“. Hier lebten die meisten Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten (etwa 2,4 Mio.) sowie Flüchtlinge aus der DDR. Bereits im Jahre 1949 war jeder neunte Bergmann in den Zechen unseres Bundeslandes ein Vertriebener. 1953 waren 12,1 % der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens Flüchtlinge und Vertriebene. Über ein Fünftel der heutigen Bevölkerung Nordrhein-Westfalens hat seine Wurzeln in den ost-, südost- und mitteleuropäischen Ländern. Nordrhein-Westfalen hat nach 1989 allein in den folgenden 20 Jahren 650.000 Spätaussiedler aufgenommen und reibungslos in das Wirtschafts- und Sozialgefüge seiner Kommunen integriert. 
 
Das BVFG hat nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges mit Eingliederungs-hilfen für 12 Mio. Vertriebene und 4,5 Mio. Aussiedler einen wichtigen Beitrag zur Integration, aber auch zur Versöhnungsarbeit geleistet. Es hat wichtige Voraussetzungen dafür begründet, dass die deutschen Vertriebenen und ihre Verbände aktiv am Wiederaufbau des Landes, an der Pflege der eigenen Kultur und Traditionen und an der Verständigung mit den Nachbarn im Osten mitwirken konnten. 
 
Ebenfalls auf der Grundlage des BVFG basiert die Unterstützung und Förderung der deutschen Minderheiten in den Herkunftsstaaten der Aussiedler sowie die Sicherstellung des Erhalts und der Pflege des kulturellen Erbes der Deutschen im östlichen Europa. Und auch und gerade für Nordrhein-Westfalen kann man feststellen: Die Integration von Millionen von Heimatvertriebenen und Aussiedlern war und ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte. 
 
Dieses wird von der rot-grünen Landesregierung nur unzureichend gewürdigt:
 
    die Begriffe „Flüchtlinge“, „Vertriebene“, „Aussiedler“ kommen weder im Koalitionsvertrag noch in der Regierungserklärung von 2012 vor;
    die Patenschaft mit den Siebenbürger Sachsen besteht offenbar nur auf dem Papier, der Dialog zwischen Land NRW und Verband hat sporadischen Charakter;
    in anderen rot-grün regierten Bundesländern wie Niedersachsen oder auch dem grün-rot regierten Baden-Württemberg haben diese Gruppen eine deutliche Aufwertung erfahren;
    auf den NRW-Tagen, wie zuletzt in Bielefeld, finden Vertriebenen- und Aussiedlerverbände nicht statt;
    viele Landesregierungen laden bei Delegationsreisen in die Herkunftsländer ausgewählte Vertriebenen-Vertreter hinzu – nicht so NRW;
    die Forderung nach einem eigenen Gedenktag, wie in einigen Bundesländern verwirklicht, wird in NRW nicht zur Kenntnis genommen;
    die aktuelle Haushaltssperre führt dazu, dass Förderungen nach § 96 BVFG nicht mehr stattfinden; damit wird die ehrenamtliche Arbeit der Vertriebenen und Spätaussiedler gefährdet 
 
III.         Forderungen an die Landesregierung 
 
1. Für die Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen war das wichtigste Ereignis nach der Flucht und den Entlassungen aus der Kriegsgefangenschaft die Übernahme der Patenschaft durch das Land NRW am 26. Mai 1957 im Düsseldorfer Landtag. 1966 wird die heute weltweit größte geschlossene Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Wiehl-Drabenderhöhe eingeweiht. Heute leben hier knapp 3.000 Siebenbürger Sachsen aus ca. 200 Ortschaften Siebenbürgens.
 
Wir fordern die Landesregierung auf, gemeinsam mit dem Landtag die seit 1957 bestehende Patenschaft des Landes NRW mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen mit frischen, zukunftsgerichteten Inhalten zu füllen. 
 
2. Weiterhin hat das Land Nordrhein-Westfalen 1964 die Patenschaft über die Landsmannschaft der Oberschlesier übernommen. Sie wurde im Jahr 2000 ergänzt um eine Partnerschaft mit der heutigen oberschlesischen Woiwodschaft Schlesien.
 
Wir fordern die Landesregierung auf, zu prüfen, wie die deutschen Minderheiten in den Partnerregionen Schlesien in Polen und Siebenbürgen in Rumänien, insbesondere bei ihrem Recht und ihrem Bestreben auf Förderung und Pflege der deutschen Sprache, vor allem in Kindergärten und Schulen unterstützt und gefördert werden können. 
 
3. Mit der Eröffnung des heutigen Gerhart-Hauptmann-Hauses (GHH) am 22. Juni 1963 erhielt die Erinnerungsarbeit bezogen auf Kultur und Geschichte des historischen deutschen Ostens in NRW einen festen Standort. Die Stiftung und ihr Haus leisten einen wertvollen Beitrag zur Erinnerungskultur, zur Bewahrung und Pflege des kulturellen Erbes der Vertriebenen, Flüchtlinge und (Spät-)Aussiedler sowie der Deutschen im östlichen Europa als Bestandteil des europäischen Kulturerbes.
 
Wir fordern die Landesregierung auf, die Arbeit des GHH weiter durch eine institutionelle Förderung des Landes abzusichern – auch in Zeiten knapper Kassen. 
 
4. Auszug aus dem Berliner Koalitionsvertrag zwischen der CDU und der SPD (Dezember 2013, Seite 113): "Wir halten die mahnende Erinnerung an Flucht und Vertreibung durch einen Gedenktag lebendig (...)."
 
In Nordrhein-Westfalen lehnt Rot-Grün einen Gedenktag ab. Der Verweis darauf, es gäbe bereits einen Weltflüchtlingstag (20. Juni) wird dem im Koalitionsvertrag auf Bundesebene beschriebenen Anliegen nicht gerecht. Der 20. Juni wurde als Folge des Biafra-Krieges 1994 von der UNO als nationaler Weltflüchtlingstag festgelegt.
 
Wir fordern die Landesregierung auf, den Beispielen aus Bayern, Hessen, Thüringen und Sachsen zu folgen und einen landesweiten Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung am zweiten Sonntag im September einzuführen. 
 
5. Seit 1951 haben insgesamt haben mehr als 2,5 Millionen Menschen aus mehr als 100 Ländern in der Landesstelle Unna-Massen eine erste Zuflucht gefunden. Ein Antrag der CDU-FDP-Fraktion zur Errichtung einer Gedenkstätte wurde am 27. Januar 2010 im Kulturausschuss mit Mehrheit angenommen. Nach dem Regierungswechsel wurden die Beschlüsse ignoriert und nicht weiter verfolgt.
 
Wir fordern die Landesregierung auf, das Gelände der ehemaligen Landesstelle in Unna-Massen als Gedenkort einzurichten, an dem an die Millionen Flüchtlinge, Vertriebene und Spätaussiedler in den 58 Jahren von 1951 bis zur Schließung am 30. Juni 2009 erinnert wird. 
 
6. Die Förderrichtlinien nach § 96 BFVG aus dem Jahre 1993 bedürfen dringend der Reform. Ein Werkstattgespräch der CDU-Fraktion am 17. Juni 2014 mit Betroffenen und Fachleuten ergab dringenden Handlungsbedarf u. a.:
 
    zur Bagatellgrenze 500 Euro;
    die 25%ige Selbstbeteiligung muss überdacht bzw. flexibler gestaltet werden;
    bei Antragsablehnung darf eine Begründung nicht verweigert werden;
    die Entscheider vor Ort brauchen größeren Entscheidungsspielraum;
    insgesamt müssen die Fördermöglichkeiten besser bekannt und insbesondere auf die Nicht-Erlebens-Generationen unter Wahrung der Identitäten und Kulturen der Vertriebenen, Flüchtlinge und Spätaussiedler ausgerichtet werden
 
 
7. Die am 2. Juli 2014 verhängte Haushaltssperre ist das Ergebnis einer verfehlten Finanzpolitik und führt dazu, dass Förderanträge von Vereinen, Verbänden etc. abgelehnt werden. Selbst bereits an die Bezirksregierungen angewiesene Mittel bewilligter Anträge werden nicht mehr an die Antragssteller ausgezahlt. Wir erwarten, dass die Landesregierung dem Parlament jetzt schnellstmöglich den angekündigten Nachtragshaushalt vorlegt und fordern die Landesregierung - hier insbesondere den Finanzminister - auf zu prüfen, wie Mittel nach § 96 BVFG ggf. über eine Ausnahmegenehmigung mit dem Ziel gewährt werden können, die ehrenamtliche Arbeit der Betroffenen weiter zu ermöglichen.
 
Diesen Pressetext gibt es auch hier zum Download.